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LangBiografie

Dr. Fabian von Schlabrendorff

01.07.1907 – 3.09.1980

Schon als Student der Rechtswissenschaft gehörte er in seiner Geburtsstadt Halle (Saale) zu den Initiatoren einer antinazistischen Gruppierung. Hier und dann in Berlin trat der Spross einer alten preußischen Adels- und Offiziersfamilie den „Nationalsozialisten“ in etlichen ihrer Propagandaversammlungen als Diskussionsredner beherzt entgegen. Auch bei seinen eigenen Vortragsveranstaltungen, die er seit 1931 vielerorts für die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) bestritt, kam es wiederholt zu turbulenten Auseinandersetzungen mit Hitler-Anhängern. Anfang 1933 war er in Berlin für kurze Zeit persönlicher Mitarbeiter des Staatssekretärs im Preußischen Ministerium des Innern, des DNVP-Reichstagsabgeordneten Herbert von Bismarck. Dieser war wie er selbst ein erbitterter Gegner der Nazis. 1939 heiratete er dessen Tochter Luitgarde.

Anfang 1933 war es ihm und einigen seiner Mitstreiter in der Reichshauptstadt gelungen, den früheren Sozialdemokraten und nunmehrigen Nationalbolschewisten Ernst Niekisch sowie mehrere andere NS-Gegner aus einem SA-Keller zu befreien. Hierdurch wurde seine Freundschaft mit dem Mitherausgeber des Ende 1934 verbotenen Periodikums „Widerstand. Zeitschrift für nationalrevolutionäre Politik“ begründet. Ebenfalls 1933 wurde von Schlabrendorff, der seinerzeit auch noch manch andere regimekritische Schrift publiziert hatte, durch Ewald von Kleist-Schmenzin dazu veranlasst, für dessen „Mitteilungsblatt der Konservativen Hauptvereinigung“ einen Aufsatz zu verfassen. In diesem wurden Hitler und die NSDAP wegen ihrer Kommunistenverfolgung, insbesondere wegen der Ausschaltung der KPD-Reichstagsabgeordneten scharf attackiert, was das sofortige Verbot des Organs nach sich zog. Auch am Periodikum „Weiße Blätter. Monatsschrift für Geschichte, Tradition und Staat“, das vom als „monarchistischer Demokrat“ geltenden Dr. Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg seit 1934 herausgegeben wurde, wirkte Schlabrendorff mit.

In Pommern und in Rheinhessen hatte er im Herbst 1933 damit begonnen, viele eher konservative und liberale Oppositionelle in – nach eigenem Bekunden – „mühevoller, langwieriger Einzelarbeit“ zu gewinnen, in „verlässlichen antinationalsozialistischen Zellen“ zusammenzufassen und in die sich nun allmählich herausbildenden Widerstandsbewegung bürgerlicher Prägung einzugliedern.

Nach Beendigung seines Referendariats und bestandenem Assessorexamen kehrte der wertkonservative Patriot 1938 nach Berlin zurück, um sich dort als Rechtsanwalt niederzulassen. Im selben Jahr vermittelte Herbert von Bismarck den Kontakt mit dem Chef des Zentralamtes der Abwehr, dem späteren Generalmajor Hans Oster. Damit rückte Schlabrendorff unmittelbar ins Zentrum der militärisch-bürgerlichen Widerstandsbewegung. Im Einvernehmen mit einigen ihrer Anführer reiste er, dezidierter Gegner des Kriegskurses Hitlers aus zutiefst christlicher Überzeugung, im August 1939 nach London, um u. a. Winston Churchill nicht nur vom beabsichtigten Überfall auf Polen und dem unmittelbar bevorstehenden Abschluss des Hitler-Stalin-Paktes in Kenntnis zu setzen, sondern auch vom Vorhandensein ernstzunehmender deutscher Widerstandskräfte. Er stieß jedoch auf taube Ohren.

Fabian von Schlabrendorff als Wehrmachtoffizier Kurz nach Kriegsausbruch informierte Schlabrendorff in Berlin einen britischen Botschaftsrat von Planungen, Hitler bei einem Besuch der an der Westgrenze stehenden, seinerzeit von Generaloberst Kurt Freiherr von Hammerstein-Equord befehligten Armee-Abteilung A festzunehmen und zu stürzen. Dieser war als Chef der Heeresleitung bereits Anfang 1933 an ersten Umsturzplänen beteiligt gewesen. Da ihm nach wenigen Tagen jenes Kommando wieder entzogen worden war, ist auch dieser neuerliche Plan, den Diktator unschädlich zu machen, hinfällig gewesen.

Oberst im Generalstab Henning von Tresckow (stehend, l.) und sein Ordonnanzoffizier Oberleutnant Fabian von Schlabrendorff (stehend, r.) während einer Lagebesprechung beim Stab der Heeresgruppe Mitte, 1942 Schlabrendorff wurde im Oktober 1939 zur Wehrmacht eingezogen und zunächst als Infanterieoffizier eingesetzt. Seit 1941 war der Oberleutnant Ordonnanzoffizier beim damaligen Oberstleutnant Henning von Tresckow, dem Ersten Generalstabsoffizier der Heeresgruppe Mitte, der sich schon länger mit Umsturzplänen befasste. Die beiden Cousins waren von der abscheulichen Verfolgung der Juden und dem nicht minder barbarischen Vorgehen der deutschen Besatzer gegen die Zivilbevölkerung erschüttert und beschämt. Sie kamen zu dem Entschluss, dass Hitler beseitigt werden musste. Am 13. März 1943 unternahmen sie den dann freilich fehlgeschlagenen Versuch, Hitler auf seinem Rückflug von einem Besuch beim Stab der Heeresgruppe Mitte nahe Smolensk durch einen Sprengstoffanschlag aus dem Weg zu räumen.

Seit dem Vorjahressommer stand Schlabrendorff in ständiger Verbindung mit den beiden Zentralfiguren des bürgerlich-militärischen Widerstandes, mit Generaloberst a. D. Ludwig Beck und mit Dr. Carl Goerdeler, dem früheren Oberbürgermeister von Leipzig. Auch mit etlichen anderen Protagonisten des Umsturzversuchs vom 20. Juli 1944 unterhielt er in jenen Jahren enge konspirative Beziehungen, so z. B. mit Hauptmann Hermann Kaiser sowie mit den Brüdern Dr. Otto John und Dr. Hans John, die wie Beck und Kaiser aus Wiesbaden nach Berlin gekommen waren. Eine seiner Aufgaben bestand seinerzeit darin, Verbindungen zwischen den Widerständlern an der Ostfront und denen im Heimatheer herzustellen bzw. aufrechtzuerhalten.

Seit 1941 war er mit Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg bekannt und in die Attentatspläne eingeweiht. Am 20. Juli 1944 befand sich Schlabrendorff bei der Heeresgruppe Mitte, die damals von den sowjetischen Offensivschlägen weitgehend zertrümmert war. Generalmajor von Tresckow entzog sich der drohenden Verhaftung nach dem Scheitern von Attentat und Umsturzversuch durch Selbstmord.

Schlabrendorff wurde am 17. August 1944 festgenommen. Zunächst wurde er im Gestapogefängnis des Reichssicherheitshauptamts in Berlin inhaftiert und dann ins KZ Sachsenhausen überstellt. Dass er überlebte, grenzte an ein Wunder: Trotz mehrfacher schwerer Folterungen verriet er während der Verhöre keinen seiner Gesinnungsfreunde. In seiner – fünfmal verschobenen – Verhandlung vor dem „Volksgerichtshof“ vermochte er am 16. März 1945 sogar Freispruch zu erwirken. Doch dann wurde ihm mitgeteilt, dies sei ein Fehlurteil gewesen und er werde erschossen. Zunächst wurde er in das KZ Flossenbürg, dann ins KZ Dachau verbracht und danach noch in ein KZ bei Innsbruck. In Niederdorf in Südtirol erfolgte schließlich seine Befreiung durch die US-Army.

Sein 1946 zunächst in der Schweiz erschienener Zeitzeugenbericht „Offiziere gegen Hitler“ gehörte zu den ersten und am meisten verbreiteten Darstellungen der Geschichte des antinazistischen deutschen Widerstandes überhaupt. Als Mitstifter des „Hilfswerks 20. Juli 1944“, der späteren „Stiftung 20. Juli 1944“, und auch als deren Justiziar setzte sich Schlabrendorff, der 1946 eine Rechtsanwaltskanzlei in Wiesbaden begründet hatte, unermüdlich für die Belange der überlebenden Aktivisten wie für die Hinterbliebenen der Opfer jener Widerstandsbewegung ein. Durch substanziierte Zeugenaussagen beteiligte er sich an der Strafverfolgung von NS-Tätern. Gleichzeitig nahm er Angehörige des militärischen und konservativen Widerstands gegen haltlose Anschuldigungen unverbesserlicher Rechtsextremisten in Schutz. Er selbst sah sich nicht nur einmal als „Landesverräter“ verunglimpft.

Zu seiner Zeit als Richter am Bundesverfassungsgericht Von 1967 bis 1975 war er Richter am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. 1967 erhielt er das Große Bundesverdienstkreuz. 1968 wurde er mit der Ehrendoktorwürde der Universität Göttingen ausgezeichnet.

In seinem Kondolenztelegramm an Luitgarde von Schlabrendorff würdigte der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt den Parteilosen mit Traueranzeige der Familie liberalkonservativer Gesinnung prägnant als „aufrechten Demokraten“, der sich „durch seinen Widerstand gegen den Nationalsozialismus und sein Eintreten für die Gerechtigkeit“ hohe Wertschätzung erworben habe.

Dr. Rolf Faber

Herkunft der Bildquellen

Fabian von Schlabrendorff

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Fabian von Schlabrendorff

Dr. Fabian von Schlabrendorff, Wiesbaden

Fabian von Schlabrendorff als Wehrmachtoffizier

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Fabian von Schlabrendorff als Wehrmachtoffizier

Stadtarchiv Wiesbaden, NL 75, Nr. 206

Oberst im Generalstab Henning von Tresckow (stehend, l.) und sein Ordonnanzoffizier Oberleutnant Fabian von Schlabrendorff (stehend, r.) während einer Lagebesprechung beim Stab der Heeresgruppe Mitte, 1942

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Oberst im Generalstab Henning von Tresckow (stehend, l.) und sein Ordonnanzoffizier Oberleutnant Fabian von Schlabrendorff (stehend, r.) während einer Lagebesprechung beim Stab der Heeresgruppe Mitte, 1942

Stadtarchiv Wiesbaden, NL 75, Nr. 206

Zu seiner Zeit als Richter am Bundesverfassungsgericht

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Zu seiner Zeit als Richter am Bundesverfassungsgericht

von Schlabrendorff: Begegnungen in fünf Jahrzehnten, Innentitelblatt

Traueranzeige der Familie

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Traueranzeige der Familie

„Wiesbadener Kurier“, 5. September 1980, S. 12

Fabian von Schlabrendorff als Wehrmachtoffizier Oberst im Generalstab Henning von Tresckow (stehend, l.) und sein Ordonnanzoffizier Oberleutnant Fabian von Schlabrendorff (stehend, r.) während einer Lagebesprechung beim Stab der Heeresgruppe Mitte, 1942 Zu seiner Zeit als Richter am Bundesverfassungsgericht Traueranzeige der Familie