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LangBiografie

Georg Buch

24.09.1903 – 05.08.1995

Anti-Nazi-Flugblatt Buchs zur Reichstagswahl am 31. Juli 1932 Der gebürtige Wiesbadener, dessen Kindheit und Jugend von großer Armut geprägt waren, hatte bereits während seiner Schriftsetzerlehre zur Arbeiterbewegung gefunden. In den letzten Jahren der Weimarer Republik ist er nur noch aushilfsweise beschäftigt und schließlich arbeitslos gewesen. Als einer der Anführer der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) sowie seit 1928 als Propagandaleiter der Wiesbadener SPD gehörte er zur Schar derer, die hier mit aller Kraft die Demokratie gegen die immer mehr erstarkende NS-Bewegung zu verteidigen versucht haben. Dabei hatte er aufs Engste mit dem Gewerkschafts- und Reichsbanner-Führer Konrad Arndt von der Kampfleitung der Eisernen Front kooperiert, jener zwar überparteilichen, aber klar sozialdemokratisch dominierten Republikschutzorganisation, die im Herbst 1931 gegründet worden war.

None Zwar sind damals zahllose antinazistische Kundgebungen, Demonstrationen, Flugblatt- und Plakataktionen durchgeführt worden, doch war die Machtübertragung an Hitler am 30. Januar 1933 durch all dies nicht zu verhindern. Die Überfälle von Faschisten auf Aktivisten der Arbeiterbewegung hatten sich seitdem dramatisch gemehrt. Auch Buch war mehrmals schwer misshandelt worden, während Max Kassel, ein jüdischer Molkereiproduktehändler und SPD-Kassierer, am 22. April 1933 bei einem feigen Schusswaffenattentat ermordet worden ist.

Am 23. Mai führte die SPD Wiesbaden-Alt ihre letzte Parteiversammlung durch. Vorsichtshalber kam man hierzu mitten im Wald unweit des früheren Ausflugslokals Knusperhäuschen zwischen Chausseehaus und Georgenborn zusammen. Dort wurde der kurz zuvor im Nachrückverfahren zum Stadtverordneten avancierte Georg Buch einstimmig zum neuen Parteivorsitzenden gewählt. Ihm oblag es jetzt, die SPD auf die bevorstehende Illegalität vorzubereiten. Hierzu gehörte z. B. die Vernichtung bzw. Beiseiteschaffung aller womöglich belastenden Unterlagen, etwa der Restbestände an Flugblättern und der SPD-Propagandafilme. Die Hauptmitgliederkartei war schon Wochen vorher im Fernheizwerk am Loreleiring verbrannt, deren Gegenkartei in einem Schrebergarten an der Waldstraße in Richtung Dotzheim vergraben worden.

Waren anfänglich noch zum Teil recht wagemutige antinazistische Propagandaaktionen durchgeführt worden, so nahm man des enormen Verhaftungsrisikos wegen hiervon bald Abstand. Im September 1933 kam Buch für zwei Wochen in der Gersdorff-Kaserne in „Schutzhaft“, wie diese Zwangsmaßnahme beschönigend genannt wurde. Bei zwei Haussuchungen sind bei ihm überdies Materialien und Bücher in großer Zahl konfisziert worden.

Auch die gleichermaßen riskanten regelmäßigen Beitragskassierungen wurden nun eingestellt. Fortan wurden nur noch sporadisch freiwillig abgeführte Spendengelder zur Finanzierung der konspirativen Arbeit und zur Unterstützung von NS-Verfolgten und ihren Angehörigen eingeworben. Hierunter befand sich auch die Frau des im Sommer 1934 verhafteten einstigen SAJ-Bezirksvorsitzenden Willy Knothe, der bis dahin u. a. auch die Wiesbadener Widerständler von Frankfurt aus mit vom SPD-Exilvorstand in der Tschechoslowakei bezogenem Anti-Nazi-Material versorgt hatte.

Buch, der sich zu jener Zeit als mobiler Kaffee- bzw. Lebensmittelhändler durchschlug, hielt einen informellen Kontakt zu einer Vielzahl hiesiger wie auswärtiger Sozialdemokraten gleichwohl weiterhin aufrecht, so z. B. zu den früheren Wiesbadener Stadträten Johannes Maaß und Philipp Holl sowie zu Gustav Geiger, dem vormaligen und auch späteren Vorsitzenden des SPD-Ortsvereins Geisenheim.

Wanderung von Mitgliedern der Widerstandsgruppe um Georg Buch (stehend, ganz l.) zum Ausflugslokal Hubertushütte am 1. Mai 1940 Davon unabhängig leitete Buch eine maximal 30 bis 40 zumeist weibliche SAJ- und SPD-Mitglieder zählende Widerstandsgruppe an, von denen freilich nur die wenigsten über den konspirativen Hintergrund ihres Agierens informiert waren. In der Hauptsache ging es ihm darum, einen Kernbestand verlässlicher Genossinnen und Genossen über die widrigen Zeitläufte hinwegzuretten, mit denen dereinst die Wiedererrichtung der Demokratie würde in Angriff genommen werden können. Die zwangsläufig immer kleiner werdende Gruppe traf sich nur im engsten Freundes- und Familienkreis, und zwar bevorzugt zu kleinen Feiern und zu genauso wenig Argwohn erregenden Wanderungen, Radtouren und Schiffspartien auf dem Rhein.

Passierschein für den sieben Wochen zuvor aus dem KZ befreiten NS-Gegner Erst Anfang 1941 wurde ihr eine Denunziation zum Verhängnis. Sie zählt damit zu jenen Widerstandsgruppen aus dem sozialdemokratischen Organisationsspektrum reichsweit, deren Wirken am längsten unerkannt geblieben ist. Zwölf SAJ- bzw. SPD-Mitglieder wurden daraufhin vom Oberlandesgericht Kassel zu Gefängnisstrafen verurteilt, darunter auch Buchs spätere Ehefrau Anna Ebert. Er selbst hatte eine Gefängnisstrafe von zweieinhalb Jahren zu verbüßen. Danach musste er noch das SS-Sonderlager Hinzert im Hunsrück sowie das KZ Sachsenhausen bei Berlin durchleiden, wo er erst im Frühjahr 1945 befreit worden ist.

Bald darauf gehörte Buch hierorts wie in Hessen zu den Wiedergründern der SPD. Ab 1945 war er Mitglied ihres Bezirksvorstandes und ihres Landesausschusses. Bis 1946 legte er sich für sie in Wiesbaden auch als Parteisekretär ins Zeug. Im selben Jahr gehörte er der Verfassungberatenden Landesverfassung Groß-Hessen an. 1946 wirkte er in seiner Heimatstadt noch dazu kurzzeitig als Stadtverordneter und seitdem als hauptamtlicher Stadtrat. Seit 1954 amtierte er als Bürgermeister und von 1960 bis 1968 als Oberbürgermeister. Zudem engagierte er sich viele Jahre lang als Mitglied des Hessischen Landtags, dessen Präsident er von 1966 bis 1974 war. Außerdem übte er viele ehrenamtliche politische und sonstige Funktionen aus: So war er z. B. von 1947 bis 1954 Vorsitzender des SPD-Ortsvereins bzw. ihres Unterbezirks Wiesbaden, von 1954 bis 1962 stellvertretender Vorsitzender des SPD-Bezirks Hessen-Süd, 1959/60 Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, anschließend bis 1966 deren stellvertretender Vorsitzender und von 1971 bis 1980 Vorsitzender des Landeskuratoriums Hessen des Kuratoriums Unteilbares Deutschland.

Ein besonderes Anliegen war dem Präsidiumsmitglied des Sachsenhausen-Komitees für die Bundesrepublik Deutschland das Wachhalten der Erinnerung an Verfolgung und Widerstand während der NS-Gewaltherrschaft. Für seinen unentwegten Einsatz für unsere Demokratie wurde er vielfach ausgezeichnet, so 1968 mit der Ehrenbürgerwürde Wiesbadens sowie mit der Wilhelm-Leuschner-Medaille des Landes Hessen und zehn Jahre später dann mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband. Wegen seiner hervorragenden Verdienste um die Landeshauptstadt Wiesbaden wurde sein Grab auf dem Nordfriedhof von dieser schließlich als Ehrengrab zuerkannt.

Gedenktafel am Gemeinschaftszentrum Georg-Buch-Haus in der Wellritzstraße In Wiesbaden erinnern an ihn eine Gedenktafel am nach ihm benannten Gemeinschaftszentrum Gewerbeschule in der Wellritzstraße 38, ein Porträt von Klaus Böttger im 1. Stock des Rathauses sowie ein ebensolches nebst einer Informationstafel im Eingangsbereich der Zentrale des Arbeiter-Samariter-Bundes in der Bierstadter Straße 49. Die Wiesbadener SPD und ihre Senioren-Arbeitsgemeinschaft 60 plus verleihen seit 1992 zum Andenken an ihn einen Georg-Buch-Preis.

Dr. Axel Ulrich

Herkunft der Bildquellen

Georg Buch

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Georg Buch

Stadtarchiv Wiesbaden, NL 75, Nr. 1557

Anti-Nazi-Flugblatt Buchs zur Reichstagswahl am 31. Juli 1932

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Anti-Nazi-Flugblatt Buchs zur Reichstagswahl am 31. Juli 1932

Stadtarchiv Wiesbaden, NL 35, Nr. 403

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Axel Ulrich (Bearb.): Dokumente aus der Geschichte der Wiesbadener SAJ. Hrsg.: Union-Druckerei und Verlagsanstalt. Frankfurt/M. o. J. (Sonderedition zum 90. Geburtstag Georg Buchs), Stadtarchiv Wiesbaden, NL 75, Nr. 35

Wanderung von Mitgliedern der Widerstandsgruppe um Georg Buch (stehend, ganz l.) zum Ausflugslokal Hubertushütte am 1. Mai 1940

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Wanderung von Mitgliedern der Widerstandsgruppe um Georg Buch (stehend, ganz l.) zum Ausflugslokal Hubertushütte am 1. Mai 1940

Stadtarchiv Wiesbaden, V 25, Nr. 270

Passierschein für den sieben Wochen zuvor aus dem KZ befreiten NS-Gegner

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Passierschein für den sieben Wochen zuvor aus dem KZ befreiten NS-Gegner

Stadtarchiv Wiesbaden, NL 75, Nr. 2496

Gedenktafel am Gemeinschaftszentrum Georg-Buch-Haus in der Wellritzstraße

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Gedenktafel am Gemeinschaftszentrum Georg-Buch-Haus in der Wellritzstraße

Dr. Axel Ulrich, Wiesbaden

Anlässlich des Todes von seiner Heimatstadt herausgegebene Broschüre mit Coverporträt von Klaus Böttger, Nachruf von Oberbürgermeister Achim Exner und einem biographischen Essay von Axel Ulrich

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Anlässlich des Todes von seiner Heimatstadt herausgegebene Broschüre mit Coverporträt von Klaus Böttger, Nachruf von Oberbürgermeister Achim Exner und einem biographischen Essay von Axel Ulrich

Stadtarchiv Wiesbaden, NL 75, Nr. 40

Anti-Nazi-Flugblatt Buchs zur Reichstagswahl am 31. Juli 1932 None Wanderung von Mitgliedern der Widerstandsgruppe um Georg Buch (stehend, ganz l.) zum Ausflugslokal Hubertushütte am 1. Mai 1940 Passierschein für den sieben Wochen zuvor aus dem KZ befreiten NS-Gegner Gedenktafel am Gemeinschaftszentrum Georg-Buch-Haus in der Wellritzstraße Anlässlich des Todes von seiner Heimatstadt herausgegebene Broschüre mit Coverporträt von Klaus Böttger, Nachruf von Oberbürgermeister Achim Exner und einem biographischen Essay von Axel Ulrich