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LangBiografie

Josef Leber

30.9.1923 – 13.3.1943

Eine sicherlich gänzlich ungeplante Protestmanifestation gegen das seit Jahren zunehmend auch gegen die Katholische Kirche gerichtete Vorgehen des NS-Regimes bescherte dem in Wiesbaden-Biebrich beheimateten Verkäufer am 16. Mai 1941 die Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe von acht Monaten, die er daraufhin unter Anrechnung der erlittenen Untersuchungshaft in der damaligen Jugendstrafanstalt Rockenberg bei Butzbach verbüßen musste.

Zwei Monate zuvor war er zusammen mit einigen anderen katholischen Jugendlichen gewaltsam in das zwischen Montabaur und Nassau in Kirchähr gelegene Karlsheim eingedrungen und hatte dort mit Kreide mehrere christliche Symbole und Parolen angebracht. Außerdem ist von Leber an jenem Sonntag eine große Hakenkreuzfahne von einer Wand gezerrt und zerrissen worden. Hierbei soll er, wie aus der Anklageschrift des Oberstaatsanwalts beim Sondergericht in Frankfurt/M. vom April 1941 hervorgeht, erklärt haben: „Wir wollen den Brüdern zeigen, dass wir auch noch da sind. Wenn man uns auch verbietet und uns unsere Heime abnimmt, so lassen wir uns das doch nicht ohne Weiteres gefallen.“

Das 1928 eingeweihte Karlsheim hatte bis zu seiner vorläufigen Schließung durch die braunen Machthaber im März 1939 der katholischen Jugendseelsorge im Bistum Limburg gedient. Damals war die Heimleiterin Rosa Eufinger verhaftet und ins Gefängnis verbracht worden. Sind im Alten Haus der Einrichtung im November 1938 Juden aus dem seinerzeitigen Unterwesterwaldkreis zwangsweise einquartiert gewesen, so war das Heim bald darauf der HJ zur Nutzung zugewiesen worden. Dies hatte dann im Das Mitte 1932 von Aktivisten des KJMV initiierte Presseorgan war dezidiert antinazistisch positioniert, weshalb dieser Leitartikel bereits zu einem ersten Verbot führte. Anfang 1936 ereilte das Periodikum, das noch mehrmals verboten worden ist und im Sommer 1935 in „Michael. Wochenschrift junger Deutscher“ umbenannt werden musste, das endgültige Verbot. März 1941 vor Ort letztlich aus dem Augenblick heraus den Unmut Lebers und acht anderer junger Katholiken aus Limburg bzw. aus Frickhofen hervorgerufen. Leber gehörte zwar seit 1935 selbst der HJ an, dies aber ohne sich in dieser NS-Jugendorganisation sonderlich engagiert zu haben. Ungebrochen war dagegen seine familiär bedingte Bindung an die katholische Kirche, für deren Jugendarbeit er sich in seiner Heimatgemeinde ehrenamtlich betätigte. Hier war er auch 1933 dem Katholischen Jungmänner-Verband (KJMV) beigetreten, dem seinerzeit weitaus größten katholischen Jugendverband Deutschlands. Dieser hatte noch im Reichstagswahlkampf jenes Jahres nicht nur zur Wahl der Zentrumspartei aufgerufen, sondern sogar in aller Deutlichkeit gegen die NSDAP Stellung bezogen. Nachdem sich auch die katholische Jugendarbeit bald darauf vielfältigen Schikanen, ständigen Observationen und vielerlei weiteren Unterdrückungsmaßnahmen ausgesetzt gesehen hatte bis hin zum 1936 erfolgten Verbot des Vereinsorgans, waren im Jahr darauf auch bereits die Diözesanverbände des KJMV aufgelöst worden. Damals ist ebenso Lebers Mitgliedschaft in jener zwei Jahre später auf Reichsebene überhaupt verbotenen christlichen Jugendorganisation erloschen.

Eigentlich war Josef Leber am Freitag, den 14. März 1941, mit dem Fahrrad nach Limburg gekommen, um dort im Exerzitienhaus der Pallotinerinnen an den Jungmänner-Exerzitien teilzunehmen. Aber vom ihm von Wiesbaden her bekannten bischöflichen Jugendsekretär Kaplan Willy Bokler war ihm dies unter Verweis auf sein zu junges Alter verwehrt worden. Gleichwohl hatte Leber dann einige im Rahmen der Exerzitien gehaltene Vorträge und andere Veranstaltungen besucht. Am Sonntag darauf waren Leber und drei Limburger Jungkatholiken zu einer Fahrradtour in die Umgebung aufgebrochen. Unterwegs war von ihnen beschlossen worden, auch das einstige katholische Jugendheim in Kirchähr aufzusuchen, welches seit dem Sommer 1939 der HJ gehörte. Hier war noch eine Gruppe von fünf ihnen bis dahin nicht bekannten, etwa gleichaltrigen Jugendlichen aus dem Dorf Frickhofen zu ihnen gestoßen, die fast alle vordem dem KJMV angehört hatten. Einige davon waren wie Leber und die drei Limburger inzwischen Mitglied der HJ. Diese war längst von einer Partei- zu einer Staatsorganisation umgewandelt worden, in der nach Einführung der Zwangsmitgliedschaft im Jahr 1936 sowie nach der sogenannten Jugenddienstverordnung von 1939 nahezu alle deutschen Jugendlichen zwischen 10 und 18 Jahren zum – wie es explizit hieß – „Ehrendienst am Deutschen Volke“ verpflichtet waren.

Karlsheim in Kirchähr, Ortsteil von Gackenbach Kraft bei den antinazistischen Aktivitäten im nunmehrigen, an jenem Tag allerdings von den Jung-Nazis nicht genutzten HJ-Heim in Kirchähr war zweifellos Leber, der mit 17 Jahren Älteste der Gruppe. Dieser verlieh seiner Verärgerung über die Inbesitznahme jener Einrichtung durch die NS-Staatsjugend wiederholt deutlich Ausdruck. Die ganze Aktion dauerte nicht länger als eine halbe Stunde. Sodann ist noch die nahe gelegene Kirche aufgesucht worden, um dort zu beten und das Trutzlied der katholischen Pfarrjugend „Nun stehet alle Mann für Mann“ zu singen. Anschließend begaben sich die Jungkatholiken abermals zum HJ-Heim, wo sie – wiederum angefeuert von Leber – während ihrer Abfahrt von jenem Ort wie auch schon zuvor nach ihrem Eintreffen mit Steinen mehrere Fensterscheiben einwarfen. Nach ihrer Rückkehr nach Limburg besuchten Leber und die drei dort beheimateten Jugendlichen noch eine abendliche Jugendpredigt von Kaplan Bokler, der als entschiedener Gegner des NS-Regimes galt und in jenen Jahren daher auch mehrfach zum Verhör durch die Gestapo zitiert worden ist.

Erstes Blatt des Sondergerichtsurteils gegen Josef Leber Zwar war von den Jugendlichen vor dem HJ-Heim sicherheitshalber eine Wache postiert worden, aber ein Dorfbewohner hatte dennoch die ganze Aktion beobachtet und unverzüglich gemeldet. Etliche im Prozessmaterial wiedergegebene Zitate lassen nur den Schluss zu, dass einige Jugendliche aus beiden Gruppen während ihrer Verhöre zur Preisgabe von Insiderwissen gezwungen worden waren, was sich nun als belastend für Leber auswirkte und zu seiner Gefängnisstrafe führte. Dementgegen wurden sechs Beteiligte an jener beachtenswerten Manifestation kirchlich-religiös motivierter Widersetzlichkeit gegen das NS-Regime lediglich zu Arreststrafen verurteilt. Zwei Jugendliche sind sogar freigesprochen worden.

None Nicht nur während der Untersuchungshaft in Frankfurt am Main, auch in der Jugendstrafanstalt Rockenberg in der Wetterau, wo er unter menschenunwürdigen Bedingungen im Steinbruch hatte arbeiten müssen, ist Leber des Öfteren malträtiert worden, und zwar derart, dass sein Körper noch voller Narben war, als er zu seiner Familie nach Wiesbaden-Biebrich zurückkehren konnte. Sein Vater soll beim Anblick des völlig entkräfteten und abgemagerten Jungen in Tränen ausgebrochen sein. Auch die Angehörigen hatten fortan unter einem enormen Verfolgungsdruck zu leiden. Dies führte bei Lebers Vater, der sich nun regelmäßig bei der Gestapo melden musste und dort laufend Verhören unterzogen war, schließlich zu einem Nervenzusammenbruch und in dessen Folge zu seinem Tod.

Josef Leber wurde nach seiner Haftentlassung Ende 1941 zwar für „wehrunwürdig“ erklärt, ist dann aber doch im April 1942 zur Wehrmacht eingezogen worden und im Krieg gegen die Sowjetunion zum Einsatz gekommen. Dort ist er am 13. März 1943 bei Boldino gefallen. Kurz nach dem Krieg ist das gegen ihn 1941 verhängte Sondergerichtsurteil als klares NS-Unrechtsurteil wieder aufgehoben worden.

Der damalige Diözesanjugendseelsorger Willy Bokler konnte am 10. Mai 1945 namens des Bischofs von Limburg die Wiederindienstnahme des Karlsheims Kirchähr als katholische Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätte des Bistums bekanntgeben. Dort trägt einer der Räume zur Erinnerung an den antinazistischen Mut und die christliche Überzeugungstreue Josef Lebers seinen Namen.

Dr. Axel Ulrich

Herkunft der Bildquellen

Josef Leber

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Josef Leber

Stadtarchiv Wiesbaden, NL 75, Nr. 1067

Das Mitte 1932 von Aktivisten des KJMV initiierte Presseorgan war dezidiert antinazistisch positioniert, weshalb dieser Leitartikel bereits zu einem ersten Verbot führte. Anfang 1936 ereilte das Periodikum, das noch mehrmals verboten worden ist und im Sommer 1935 in „Michael. Wochenschrift junger Deutscher“ umbenannt werden musste, das endgültige Verbot.

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Das Mitte 1932 von Aktivisten des KJMV initiierte Presseorgan war dezidiert antinazistisch positioniert, weshalb dieser Leitartikel bereits zu einem ersten Verbot führte. Anfang 1936 ereilte das Periodikum, das noch mehrmals verboten worden ist und im Sommer 1935 in „Michael. Wochenschrift junger Deutscher“ umbenannt werden musste, das endgültige Verbot.

Stadtarchiv Wiesbaden, NL 75, Nr. 1067

Karlsheim in Kirchähr, Ortsteil von Gackenbach

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Karlsheim in Kirchähr, Ortsteil von Gackenbach

Stadtarchiv Wiesbaden, NL 75, Nr. 1067

Erstes Blatt des Sondergerichtsurteils gegen Josef Leber

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Erstes Blatt des Sondergerichtsurteils gegen Josef Leber

Stadtarchiv Wiesbaden, NL 75, Nr. 1067

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Stadtarchiv Wiesbaden, NL 75, Nr. 1067

Das Mitte 1932 von Aktivisten des KJMV initiierte Presseorgan war dezidiert antinazistisch positioniert, weshalb dieser Leitartikel bereits zu einem ersten Verbot führte. Anfang 1936 ereilte das Periodikum, das noch mehrmals verboten worden ist und im Sommer 1935 in „Michael. Wochenschrift junger Deutscher“ umbenannt werden musste, das endgültige Verbot. Karlsheim in Kirchähr, Ortsteil von Gackenbach Erstes Blatt des Sondergerichtsurteils gegen Josef Leber None